Tante Ida

von Angelika Jürgens

Tante Ida war eine taffe Frau, sie lernte den Beruf der Krankenschwester und arbeitete während des Krieges im Lazarett. Sie blieb ledig. Nach dem Krieg war sie „Baumologin“ in der Gärtnerei des Hotels Bad Schachen in Lindau.

Ida war eine unglaublich beliebte, herzliche und hilfsbereite Frau, deren Tür für ihre zahlreichen Gäste stets offen stand. Sie war nicht nur Gärtnerin, sondern auch Imkerin und besaß ein Bienenhaus mit einigen Bienenvölkern. Die Bienenschwärme fing sie mit nackten Händen – wie ein weiblicher Chuck Norris.

Sie hatte einen großen Bauerngarten voller bunter Blumen und versorgte sich daraus so gut wie möglich selbst. Ida kochte Früchte ein, spann auf ihrem Spinnrad Wolle zu Fäden und webte ihre Teppiche und Decken selbst. Eine Heizung gab es in ihrem Haus nicht, nur ein offenes Feuer in der Küche. Sie saß oft auf ihrem Schaukelstuhl, eingewickelt in ihre Decken, und las.

Tante Idas Rezepte

Bevor wir einzogen, renovierten wir Idas Haus. Dabei fand ich in einer Kommode auf dem Dachboden ein altes zerfleddertes Buch. Tante Idas Tagebuch. Ein wahrer Schatz. Darin enthalten waren das Rezept ihrer berühmten Marmelade, Aufbewahrungstipps für Hühnereier und Kartoffeln, Regeln für das Einkochen, zahlreiche Brotrezepte, ihre Naturbeobachtungen und einige Seiten über die Bienen.



Beim Lesen erfuhr ich unter anderem, dass Ida ihr Brot, um es frisch zu halten, in ein wachsgetränktes Leinentuch wickelte. Wir probierten nach und nach Idas Rezepte aus – irgendwann auch das Brottuch. Und waren begeistert.

Dann kamen die Bienen zu uns

Eines Tages flog uns ein Bienenschwarm zu, der mit lautem Getöse unter unserer Eingangstreppe in einen ausrangierten Lautsprecher für den Sperrmüll einziehen wollte. Voller Panik rief ich meine Mutter an, was nun zu tun ist. Freudig fing sie den Bienenschwarm ein. Mir kam Tante Ida wieder in den Sinn. Wenn die Bienen sich ihren Garten ausgesucht haben, dann gehören sie hier auch hin! Wir stellten das Volk bei uns auf und erfreuten uns täglich an ihrem Summen. Einige Kaffeepausen wurden von nun an bei den Bienen verbracht um sie zu beobachten.Von den Bienen ging eine große Faszination aus. Daraufhin baute ich zusammen mit meiner Mutter unsere Imkerei auf.

Vor einiger Zeit kamen wir im Urlaub in Übersee wieder in Kontakt mit den Bienenwachstüchern und erinnerten uns an Tante Idas Tagebuch. Wir tüftelten einen ganzen Winter um die perfekte Rezeptur herzustellen und verschenkten Idas Brottuch an unsere Freunde. Die waren so begeistert, dass wir nun stolz sind, auch euch unsere Bienenwachstücher anbieten zu können.